50 Jahre Élysée-Vertrag » Traditionen, Herausforderungen, Perspektiven

deutsch-französisches jahr: 50 jahre élysée-vertrag

Am 22. Januar 1963 wurde mit dem „Élysée-Vertrag“ europäische Geschichte geschrieben. In Paris wurde der deutsch-französische Freundschaftsvertrag von Charles de Gaulle und Konrad Adenauer unterzeichnet. Die Vereinbarung wurde auch bekannt unter dem Namen Élysée-Vertrag.

Gestern, am 22. Januar 2013, wurde in Berlin dem Élysée-Vertrag gedacht. Die Unterzeichnung jährte sich zum 50. Mal. Im Berliner Reichstagsgebäude wurde an das historische Ereignis erinnert. Anwesend waren die 577 Vertreter der französischen Nationalversammlung, die 620 Abgeordneten des deutschen Bundestages und die Regierungen beider Staaten.

Charles de Gaulle Vision – ein vereintes und starkes Europa

Charles De Gaulle und der Èlysée VertragDer Élysée-Vertrag sollte einen Schlussstrich unter die deutsch-französische Erbfeindschaft ziehen und bedeutete einen Neuanfang zwischen den beiden Staaten. Das Verhältnis von Frankreich und Deutschland war in den letzten Jahrhunderten von kriegerischen Auseinandersetzungen geprägt. Angefangen vom Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71, dem 1. Weltkrieg bis zum 2. Weltkrieg.

Für eine Aussöhnung zwischen Franzosen und Deutschen waren Politiker mit Persönlichkeit nötig. Auf der Seite von Frankreich war das Charles de Gaulle. Er war an der Befreiung Frankreichs von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft maßgeblich beteiligt. Auf deutscher Seite war es Konrad Adenauer, der ein Feind der Nazis war. Die Verbindung dieser beiden Persönlichkeiten führte zu einer Aussöhnung der ehemalig verfeindeten Länder. Im Vorfeld des Vertrages besuchte Bundeskanzler Adenauer verschiedene geschichtsträchtige Städte in Frankreich. Im Gegenzug stattete Charles de Gaulle Deutschland einen Besuch ab. Er besuchte mehrere Städte und hielt in Ludwigsburg 1962 eine gefeierte Rede an die Jugend. In dieser Rede ging es um seine Vorstellungen von einem zukünftigen Europa, gemeinsam mit Deutschland und die Rolle der Jugend.

Konkrete Vorstellungen De Gaulle schon früh

De Gaulle hatte schon vor Beendigung des 2. Weltkrieges eine konkrete Vorstellung wie ein Europa nach dem Kriegerischen aussehen sollte. Frankreichs Pläne waren gemeinsam mit Deutschland eine starke Position gegenüber den USA zu schaffen. Das erklärte Ziel der Politik von de Gaulle war den Einfluss der angelsächsischen Staaten in Europa möglichst gering zu halten.Vor dem Freundschaftsvertrag waren jedoch wichtige politische Entscheidungen nötig. Bereits im Jahr 1951, sechs Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges, wurde die gemeinsame Montanunion gegründet. Die Montanunion war die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, eine Miniaturausgabe und ein Vorgänger der EWG. Das Saarland kehrte im Jahr 1956 zurück zu Deutschland. Im Gegenzug wurde die Mosel kanalisiert um Frankreichs Stahlindustrie in Lothringen einen günstigen Zugang zum Nordatlantik zu ermöglichen. Dies wurde im Saarvertrag (Vertrag von Luxemburg) festgelegt, der als Inhalt eine Lösung über den Verbleib des Saarlandes in der BRD zum Inhalt hatte. Im Jahr 1957 wurde die EWG, der Vorläufer der EU, gegründet. Frankreich gehörte zu den Initiatoren.

Damit waren die Grundlagen geschaffen für eine Annäherung der beiden Staaten. Am 22. Januar 1963 wurde der deutsch-französische Freundschaftsvertrag feierlich vom französischen Staatspräsidenten und dem deutschen Bundeskanzler im Élysée-Palast unterzeichnet. Unvergessen ist die Umarmung von de Gaulle und Adenauer nach der Unterzeichnung. Es sollte ein Symbol für die Zukunft darstellen. Allerdings sorgte eine Präambel der deutschen Delegation für Verwirrung. Darin kam der Wunsch auf eine nähere Bindung zu den USA zum Ausdruck.

Geschehen war dies durch die Intervention des amerikanischen Präsidenten, John F. Kennedy, gegenüber der deutschen Botschaft. Auf der französischen Seite herrschte offen Enttäuschung über diesen Vorgang. Es wurden Stimmen laut die von Verrat an der deutsch-französischen Vereinbarung sprachen. Die Unterwerfung unter die Interessen der angelsächsischen Staaten stieß nicht auf Gegenliebe. De Gaulle äußerte sich einem Vertrauten im Jahr 1965 folgendermaßen zu dem Vorgang: „Die Deutschen waren meine größte Hoffnung, sie sind nun meine größte Enttäuschung.“

Der Inhalt des Élysée-Vertrages

Der Élysée-Vertrag steht für für den Beginn einer Freundschaft zwischen den beiden Ländern. Aus den einstmals verfeindeten Ländern sollten nun Verbündete werden. Diesem historischen Datum vor genau 50 Jahren wurde gestern in einem feierlichen Akt mit reichlich Pomp gedacht. Ein Deutsch-Französisches Jahr, dass auf dieses Ereignis hinweisen sollte, wurde ausgerufen. Es dauerte vom September 2012 bis zum Juli 2013. Zahlreiche politische und kulturelle Veranstaltungen fanden in diesem Zeitraum statt.

Was war der Inhalt des Élysée-Vertrages? Im Grunde bestand er aus drei Bereichen. Er sah ein gemeinsames Handeln der beiden Staaten vor. Frankreich und Deutschland wollten sich abstimmen in der Europa-, Außen- und Verteidigungspolitik. Dies war die Vision von de Gaulle. Er wollte gemeinsam mit Deutschland ein starkes Europa etablieren. Zum zweiten sah der Vertrag regelmäßige Treffen auf höchster politischer Ebene vor. Er sah Treffen des französischen Staatspräsidenten und des deutschen Bundeskanzlers vor. Aber auch die Außenminister und Ministerialbeamte sollten regelmäßige Begegnungen abhalten.

Der dritte Punkt beinhaltet die Begegnung von Deutschen und Franzosen. Ein reger Austausch auf vielen Ebenen war geplant. So entstanden etwa 2.200 Städtepartnerschaften zwischen den beiden Staaten. Akademische Austauschprogramme, etwa 180, wurden ins Leben gerufen. Im Bereich Erziehung und Bildung wurden bilinguale Kindergärten und Schulen gegründet. Das deutsch-französische Jugendwerk (DFJW) entstand mit dem Ziel eine gemeinsame Zusammenarbeit im Bereich Jugend und Kultur zu schaffen. Insgesamt haben bisher etwa 8 Millionen Franzosen und Deutsche an den unterschiedlichsten Austauschprogrammen teilgenommen. Im Bereich der Medien wurde der TV-Sender ARTE (Association Relative à la Télévision Européenne „Zusammenschluss bezüglich des europäischen Fernsehens“) im Jahr 1991 gegründet. Ein Jahr später begann er seinen Sendebetrieb.

50 Jahre später – ist der Èlysée Vertrag noch zeitgemäß?

Kann man behaupten, die Kooperation die im Èlysée Vertrag von 1963 festgelegt wurde, ist geglückt? In vielen Punkten kann man das bestätigen. Franzosen und Deutsche sind sich sicher näher gekommen, wissen mehr voneinander und haben etwas mehr von der Kultur des anderen Landes verstanden. Die Franzosen wissen mehr von deutscher Gründlichkeit, Pünktlichkeit und Sauerkraut und die Deutschen wissen mehr von „savoir-vivre“, der französischen Lebensart. Zahlreiche Schüler- und Jugendaustauschprogramme belegen das gegenseitige Interesse.

Inspiriert wurde der Élysée-Vertrag von der Idee eines geeinten, starken Europas. De Gaulle und Adenauer hatten zwar gemeinsame Ideen, jedoch mit unterschiedlichen Nuancen. Sah de Gaulle dieses Europa unter der Federführung von Deutschland und Frankreich, war es Adenauer, der diesen Gedanken mit seiner Annäherung an die USA torpedierte.

In der aktuellen politischen Situation gibt es oft Differenzen zwischen Frankreich und Deutschland. Jeder scheint die Lösung für die Eurokrise zu haben. Der französische Präsident Hollande sieht als Rezept für die Krise nicht die deutschen Vorschläge von Wachstum und gleichzeitigem Sparen an. Er vermisst in Deutschland einen mutigen Reformwillen. Im Gegenzug kritisiert Bundeskanzlerin Merkel die Vorschläge von Hollande das europäische Sozialsystem zu erhalten. Es geht miteinander nur noch in kleinen Schritten. Weder Deutschland noch Frankreich wollen, dass der Andere zu mächtig wird in Europa. Der Europaabgeordnete der Grünen Daniel Cohn-Bandit formulierte das Verhältnis aktuell so: „Es gibt keine deutsch-französische Feindschaft mehr.“ Zweifellos darf die Dimension des Élysée-Vertrages nicht unterschätzt werden. Es war ein Meilenstein in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg – trotz aller aktuellen Differenzen in der Politik.

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